Unterschiede: Hausarztmodell vs. Primärarztprinzip vs. freie Arztwahl
Hausarztmodell
Als erste Anlaufstelle im Krankheitsfall fungiert immer ein fester Ansprechpartner – Ihr Hausarzt.
Primärarztprinzip
Der Primärarzt ist im deutschen Gesundheitssystem der erste Ansprechpartner für einen Patienten. Das Primärarztprinzip definiert nicht nur einen einzelnen Arzt, sondern eine ganze Gruppe von Medizinern, durch die eine Erstbehandlung erfolgen kann. Entscheidet der Primärarzt, dass die Konsultierung eines Facharztes nötig ist, stellt er Ihnen eine Überweisung aus.
Freie Arztwahl
Es gelten keine Einschränkungen und es gibt keinen speziellen Arzt, der als Erstbehandler genutzt werden muss. Sie dürfen frei entscheiden, welchen Arzt Sie konsultieren.
Welche Ärzte gelten als Primärarzt?
Im Gegensatz zum Hausarztmodell, gibt es im Primärarztprinzip viele Mediziner, die als Erstbehandler in Frage kommen. Es muss also nicht zwingend der Hausarzt aufgesucht werden. Als Primärarzt gelten folgende Ärzte:
- Hausarzt (niedergelassener praktischer Arzt / Allgemeinmediziner)
- Augenarzt
- Gynäkologe
- Kinderarzt
- Notarzt
- Bereitschaftsarzt
Hinweis: Teilweise gelten auch Internisten ohne Schwerpunktbezeichnung zu den Primärärzten. Ob dies bei Ihrem Versicherer so ist, erfahren Sie mit einem Blick in die Tarifbedingungen.
Für welche Bereiche gilt das Primärarztprinzip?
Die Annahme, dass das Primärarztprinzip auf alle Behandlungsbereiche angewendet wird (ambulant / stationär / dental), ist falsch. Das Primärarztprinzip gilt in jedem Fall für die allgemeine ambulante Heilbehandlung. Ob es darüber hinaus auch in weiteren Behandlungsarten wie z.B. Vorsorgeuntersuchungen, Arznei- & Verbandmittel, Heil- & Hilfsmittel, Naturheilkunde, ambulanten Operationen etc. Anwendung findet, hängt vom gewählten Versicherer und dem jeweiligen Tarif ab.
Wichtig: Der Baustein „Primärarztprinzip“ ist kein klassisches Leistungsmerkmal, sondern vielmehr ein organisatorischer Punkt, den man bei der Tarifwahl entsprechend berücksichtigen sollte.
Was bezweckt der Versicherer mit dem Primärarztprinzip?
Grundlegend ist der Gedanke dahinter ziemlich simpel. Die meisten Menschen denken nicht lange nach, bevor sie einen Termin beim Facharzt vereinbaren. Dass dies Mehrkosten für den Krankenversicherer verursacht, ist im ersten Moment egal. Schließlich möchte man – nachvollziehbarerweise – schnellstmöglich eine Lösung für sein gesundheitliches Problem. Primärarzte rechnen meist nur zum 2,3-fachen Satz der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) ab. Fachärzte & Spezialisten fangen ab diesem Satz erst an und steigern ihn bei Mehraufwand bis zum 3,5-fachen Satz.
Diese Mehrausgaben möchte die Gesellschaft verhindern, indem Sie den Kunden / Patienten erst zum Primärarzt schickt. Manch einer meint jetzt:
„Kostet das den Versicherer nicht mehr, wenn der Primärarzt auch noch eine Rechnung stellt?“
Der Gedanke ist grundsätzlich richtig, aber in Zahlen falsch. Die meisten Patientenanliegen können bereits durch den Primärarzt geklärt werden, weshalb ein Gang zum Facharzt ausbleibt. Häufig spart sich der private Krankenversicherer also die Mehrausgaben für den Facharzt, da der Primärarzt das Patientenanliegen bereits lösen konnte.
Was passiert, wenn man das Primärarztprinzip nicht einhält?
In den Tarifbedingungen der Versicherer sind die „Konsequenzen“ recht eindeutig formuliert. Hält man sich an das Primärarztprinzip und holt eine Überweisung ein, bevor man einen Facharzt konsultiert, ersetzt der Versicherer 100% des erstattungsfähigen Rechnungsbetrags.
Missachtet man das Primärarztprinzip droht Leistungsabzug. So leisten die meisten Versicherer ohne Behandlung durch einen Primärarzt nur noch zu 75% – 85%. Maßgeblich für den Erstattungssatz ohne Behandlung durch einen Primärarzt ist das Tarifbedingungswerk der Gesellschaft. In der K-Tarifreihe der ARAG ist das z.B. so geregelt:
Die Erstattung erfolgt zu 100 Prozent, wenn die Behandlung durch einen der folgenden Ärzte (Primärärzte) nachgewiesen wird:
• Hausarzt (Arzt für Allgemeinmedizin/praktischer Arzt)
• Internist mit hausärztlicher Versorgung
• Facharzt für Kinderheilkunde
• Facharzt für Gynäkologie
• Facharzt für Augenheilkunde
• Not- oder Bereitschaftsarzt
Bei Rechnungen von Not- oder Bereitschaftsärzten muss ersichtlich sein, dass die Behandlung im Rahmen eines Not- oder Bereitschaftsdienstes erfolgte.
Sind die vorherig aufgeführten Bedingungen nicht erfüllt, werden nur 80 Prozent der erstattungsfähigen Aufwendungen ersetzt. Diese Einschränkung gilt nur für die bisherigen Behandlungen. Stellt der Hausarzt, Internist mit hausärztlicher Versorgung oder Facharzt für Kinderheilkunde zu einem späteren Zeitpunkt eine Überweisung aus, so gilt der verminderte Prozentsatz für danach durchgeführte Facharztbesuche nicht mehr, und zwar auch dann, wenn die Behandlung wegen derselben Erkrankung erfolgt.
Tarifbedingungswerk der ARAG – Stand 01.2024
Was passiert, wenn ich die Überweisung nicht mit der Rechnung einreiche?
Auch hier gibt es erfahrungsgemäß deutliche Unterschiede in den Verfahrensweisen der Versicherer. Einige Unternehmen erstatten kommentarlos den verminderten Prozentsatz. Andere Gesellschaften (z.B. HanseMerkur oder Signal Iduna) weisen Sie auf die fehlende Überweisung hin. Wird im Nachgang eine rückdatierte Überweisung eingereicht, wird der fehlende Prozentsatz nachträglich erstattet.
Lohnen sich Tarife mit Primärarztprinzip für Versicherte?
Nicht nur für die Gesellschaft, sondern auch für viele Versicherte kann ein Primärarzttarif lukrativ sein. So liegt die Ersparnis zwischen Tarifen mit Primärarztprinzip zu Tarifen ohne Primärarztprinzip nicht selten bei 100€ monatlich und mehr. Eine Übersicht über die möglichen Ersparnisse gibt Ihnen die folgende Tabelle.
Musterkunde, 35 Jahre alt, selbstständig
Gesellschaft | Tarif mit Primärarztprinzip | Tarif ohne Primärarztprinzip |
Allianz | 401,27€ monatlich | 585,20€ monatlich |
ARAG | 330,51€ monatlich | 467,06€ monatlich |
AXA | 381,19€ monatlich | 525,96€ monatlich |
Barmenia | 519,73€ monatlich | 695,14€ monatlich |
BBKK | 295,85€ monatlich | 404,19€ monatlich |
Continentale | 307,08€ monatlich | 408,39€ monatlich |
DKV | 367,44€ monatlich | 585,37€ monatlich |
Gothaer | 434,20€ monatlich | 509,96€ monatlich |
Hallesche | 309,60€ monatlich | 450,79€ monatlich |
HanseMerkur | 300,71€ monatlich | 561,49€ monatlich |
Münchener Verein | 521,77€ monatlich | 644,72€ monatlich |
Nürnberger | 393,80€ monatlich | 474,88€ monatlich |
R+V | 432,60€ monatlich | 622,34€ monatlich |
Signal Iduna | 438,74€ monatlich | 525,88€ monatlich |
Union (UKV) | 295,85€ monatlich | 404,19€ monatlich |
uniVersa | 477,57€ monatlich | 543,97€ monatlich |
Württembergische | 281,61€ monatlich | 323,31€ monatlich |
Fazit zu Primärarzttarifen in der privaten Krankenversicherung
Ich (Christopher Marr) bin selbst in einem Primärarzttarif versichert und kann deshalb aus eigener Erfahrung berichten. Mit dem Primärarzt kauft man sich effektiv keinen Leistungsnachteil, sondern lediglich eine „organisatorische Hürde“ ein. Ist man einmal daran gewohnt, dass man sich vor der Behandlung beim Facharzt eine Überweisung einholen muss, ist die Ersparnis im Verhältnis zum Tarif ohne Primärarzt ein absolut fairer Deal.
Bei Fragen zu PKV-Tarifen mit Primärarztprinzip oder einem anstehenden Tarifwechsel in einen Tarif mit Primärarztprinzip, stehen wir Ihnen mit unserer langjährigen Erfahrung als Spezialisten für private Krankenversicherungen gerne zur Verfügung.